Ich bin der Enkel eines Flüchtlings, der 1956 nach dem Ungarn-Aufstand aus Budapest fliehen musste. Zwei meiner Großeltern wurden 1945 als Donauschwaben aus Ungarn vertrieben. Und meine Oma sah ihren Vater zum ersten Mal im Alter von fünf Jahren, weil er erst 1949 als Wehrmachtssoldat aus der Kriegsgefangenschaft wieder zurück nach Hause kam.
Die Geschichten meiner Großeltern haben mir früh gezeigt, was Politik bewirken kann. Das ist im schlimmsten Fall Krieg und Unterdrückung wie unter Hitler oder in anderer Form unter Rákosi in Ungarn. Das ist im besten Fall aber auch Wohlstand und Freiheit wie im Nachkriegsdeutschland, das von einer weltweit gehassten Trümmerlandschaft zu einem Sehnsuchtsort von Millionen Menschen geworden ist.
Schon als Kind habe ich mir diese Geschichten gern angehört. Damals klangen sie wie aus einer anderen Welt. Wenn aber in Europa wieder Krieg herrscht und sich in Deutschland Hass und Verschwörunqstheorien ausbreiten, müssen wir aus diesen Geschichten lernen: Wir dürfen es nie wieder so weit kommen lassen.
Es waren aber nicht die Probleme dieser Welt, die mich zu einem politischen Menschen gemacht haben. Es war die Erfahrung, dass wir diese Probleme lösen können.
Für mich begann es in Sigmaringen: Als Schülersprecher am Lize habe ich 2.500 meiner Mitschülerinnen und Mitschüler zum Bildungsstreik auf die Straße gebracht. Wir demonstrierten u.a. gegen Studiengebühren. Als ich nach dem Abi zu studieren begann, musste ich dann nur im ersten Semester Gebühren bezahlen. Denn die SPD in der Landesregierung schaffte die Studiengebühren ab. Auch wenn wir nur einen kleinen Anstoß qegeben haben, bin ich bis heute überzeugt: Gemeinsam können wir alles ändern.
Als Schülersprecher habe ich damals nicht nur Demos organisiert, sondern auch Partys und Sportturniere. Un das war gut so, zusammen haben wir unsere Schulzeit schöner gemacht. Meine Arbeitshaltung von damals habe ich mir bis heute bewahrt: „Id schwätza, macha.“
In die SPD eingetreten bin ich mit 18, weil das für mich bis heute der wirksamste Weg ist, diese Welt besser zu machen. Ich habe aber auch von Anfang an gesehen, dass wir noch mehr tun können und daher noch mehr tun müssen.
Leider habe ich in meinem Umfeld erlebt, wie unser Sozialstaat Leute hängen lässt, die in einem der reichsten Länder der Welt durchs System rutschen. Auch die Zahlen zeigen uns: 2,6 Millionen Kinder und 3.2 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland sind arm. Im Kreis Sigmaringen sind es 1.235 Kindern, die in Armut leben (Stand: 2020). Das nehme ich nicht hin. Ich will das ändern.
Mit einer Kindergrundsicherung, einer noch besseren Grundrente und dem Bürgergeld statt Hartz IV können wir schon viel erreichen. Dafür kämpfe ich.
Mit 19 habe ich direkt nach dem Abi meinen ersten Wahlkampf geleitet, das war 2011 für den SPD-Landtagskandidaten in Biberach. Mich hat das begeistert und gleichzeitig frustriert. Warum wählten Alleinerziehende, Facharbeiter, Mieterinnen, Pflegekräfte und Migranten die CDU, die im Parlament permanent gegen sie die Hand hebt?
Den Frust habe ich in Motivation umgewandelt. Ich habe Kommunikation studiert, ich habe viel gelesen und vor allem habe ich mich in ieden Wahlkampf geworfen. Schon bei der nächsten Landtagswahl habe ich den Online-Wahlkampf für die SPD in Baden-Württemberg geleitet. Bei der anschließenden Bundestagswahl habe ich Martin Schulz als Referent durch ganz Deutschland begleitet. Seitdem war ich in unterschiedlichen Funktionen für den SPD-Parteivorstand, die Bundestagsfraktion, Andrea Nahles, Heiko Maas und mehrere Abgeordnete aus Baden-Württemberg tätig.
Ich habe enorm viel gelernt. Aber ich habe auch gemerkt: Das, was ich mir von Politikerinnen und Politikern wünschte, musste ich selbst hinkriegen. Also habe ich 2021 für den Bundestag kandidiert. Ich will Politik besser erklären und zeigen, welche Möglichkeiten wir haben. Und ich will dafür begeistern, dass wir uns zusammentun und die Dinge selbst in die Hand nehmen. Dort, wo ich herkomme, wo ich Verantwortung spüre, wo wir viel bewegen müssen. Auf der Zollernalb und im Kreis Sigmaringen.
Seit dem 26. September 2021 bin ich Bundestaqsabgeordneter. Den Tag werde ich nie vergessen. Genauso wird dieses Amt für mich immer etwas Besonderes bleiben.
Sobald man gewählt ist, bekommt man einen Kalender mit den sogenannten Sitzungswochen in Berlin. Das sind 20 Wochen pro Jahr, in denen von montags bis freitags Sitzungen im Bundestag stattfinden. Also steige ich seitdem 20 Mal pro Jahr montagmorgens in Sigmaringen in den Zug und komme freitagnachts zurück. Somit bin ich ziemlich genau 100 Tage in Berlin. Die übrigen 265 Tage bin ich fast komplett bei uns in der Gegend. Ich wohne in Laiz bei Sigmaringen. Zum Wohnen komme ich nur nicht so viel. Von morgens bis nachts bin ich meistens irgendwo zwischen Haigerloch und Bad Saulgau, Gammertingen und Meßstetten unterwegs.
Bei uns in der Gegend bin ich für alles zuständig. Das heißt nicht, dass ich alle Probleme lösen kann. Das heißt noch nicht einmal, dass ich über alle Problemen als Teil des Bundestags entscheiden darf. Zuständig sein bedeutet für mich: Wenn Sie ein Problem oder eine Idee haben, melden Sie sich bei mir. Wenn ich es nicht lösen kann oder der Bundestag nicht das richtige Gremium dafür ist, suchen wir gemeinsam nach einer Lösung oder jemandem, der es lösen kann.
Zollernalb-Sigmaringen ist für mich kein „Wahlkreis“. Das ist meine Heimat. In Sigmaringen war ich auf der Schule, in Mengen im Schwimmverein, in Albstadt im Kino, in Stetten jeden Sommer mit Freunden in einer Gartenhütte. Ich mag es bei uns. Dorfkind bleibt man ein Leben lang, auch wenn man fürs Studium nach Stuttgart und Berlin zieht. Natürlich mag ich es auch anderswo, an der Ostsee und in den Alpen zum Beispiel. Aber anders als zu Hause habe ich zu den Leuten auf Rügen, in Garmisch und in Berlin keinen besonderen Bezug.
Meine Leute wohnen zwischen Balingen und Ostrach, wir sprechen denselben Dialekt, wir sitzen im selben Boot. Für meine Heimat fühle ich Verantwortung. Das ging los, als ich in Sigmaringen Schülersprecher wurde. Damals habe ich gemerkt, dass ich meine Schule und meine Stadt verbessern kann. Und weil ich das konnte, habe ich es auch gemacht. Das ist der Anspruch, den ich an mich selbst stelle.
Seit über 13 Jahren bin ich politisch engagiert. Darin investiere ich viel Zeit, Energie und gelegentlich auch Nerven. Aber ich mache das mit Leidenschaft, weil ich es für das Richtige halte. Gleichzeitig habe ich auch ein Leben jenseits der Politik, das ist mir wichtig. Zwischen 2011 und 2013 habe ich an über 200 Poetry Slams in Deutschland, Österreich und der Schweiz teilgenommen. Darüber hinaus habe ich selbst eine Vielzahl von Kulturveranstaltungen organisiert und moderiert. Das Ganze hatte 2008 im Alten Schlachthof in Sigmaringen begonnen. Am Ende bin ich vor über 2.000 Leuten im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg und im NDR aufgetreten. Kunst liegt mir bis heute am Herzen.
Wenn es meine Arbeit zulässt, bin ich in der Natur. 2019 bin ich zu Fuß von München nach Venedig gewandert. Das war anstrengend und vielleicht auch ein bisschen bescheuert. Um politisch etwas bewegen zu können, muss man aber viel Ausdauer mitbringen – und manchmal auch ein kleines bisschen bescheuert sein.